Zum 100-jährigen Jubiläum der Volkshochschule Bern sprachen wir mit unserem Präsidenten Andreas Zysset. Wo er die vhsbe in der Zukunft sieht, wie sie sich seiner Meinung nach von anderen Bildungsinstitutionen abhebt und was sein persönlicher Bezug zu ihr ist, erzählt er im Interview.
Herr Zysset, bitte erklären Sie uns, was Sie unter dem neuen Leitspruch «Weiterbildung. Aus Überzeugung.» der Volkshochschule Bern verstehen.
Andreas Zysset: Ich denke, hier ist es wichtig, die Weiterbildung von der Ausbildung
abzugrenzen. Weiterbildung ist ein sehr viel umfassenderer Begriff und ich verstehe
darunter, dass man neugierig ist, die Welt erforschen will und man mehr wissen will.
Hier spreche ich auch etwas aus meiner Generation heraus, da ich jetzt als frisch Pensionierter die Musse habe, mich mit solchen Themen wieder vermehrt auseinanderzusetzen und ab und zu (als ehemaliger Lehrer) vielleicht sogar etwas weiterzugeben oder etwas in Diskussionen einzubringen. Ich finde, dass die Volkshochschule Bern Welten öffnen soll und Wissen in einem sehr umfassenden Sinn vermitteln soll und dies nicht immer nur in einem nützlichen Sinne.
Dass die Volkshochschulen persönliches statt nur nützliches Wissen vermitteln soll, steht auch im Manifest des Verbands Schweizerischer Volkshochschulen. Welchen Stellenwert hat dieses Manifest für die vhsbe?
Andreas Zysset: In diesem Manifest geht es ziemlich genau um das, was ich gerade erzählt habe, also dass sie umfassendes und weniger nützliches Wissen vermitteln soll. Natürlich wird dies im Manifest des Verbands viel schöner formuliert und deshalb möchte ich gerne einen Abschnitt daraus zitieren, welchen ich sehr stark finde:
«Die Ökonomie verdrängt die Geisteswissenschaften, jene Wissenschaft also, welche die reflexiven Fähigkeiten des Individuums fördert. Deshalb braucht die Herrschaft der technischen Nützlichkeit ein Korrektiv: eine Bildung, die (wieder) den ganzen Menschen in den Blick nimmt und Kopf und Herz, Verstand und Charakter zusammendenkt. Eine Bildung, die im alten Sinne humanistisch, im modernen Sinne fundamental ist, indem sie dem Menschen Werkzeuge in die Hand gibt, die ihm ermöglichen, sich, seine Umgebung, die Gesellschaft, die globalen
Mechanismen zu verstehen. Denn nur so kann er sich gegen Manipulation und Benachteiligung wehren, kann er zu vernünftigen Entscheiden beitragen und seine Rolle
als Bürger spielen. Nicht Big Data, sondern scharfer Sinn ist sein wichtigstes Werkzeug. Scharfen Sinn schult er an Kultur und Wissenschaft, an Gegenständen, die die Geschichte des Erkennens bereits in sich tragen. Das meint Volkshochschule.»
Bitte fassen Sie daraus zusammen, warum es wichtig ist, dass es neben anderen Bildungsinstitutionen auch Volkshochschulen gibt.
Andreas Zysset: Ich denke es ist wichtig, dass die Volkshochschule den Namen
«Hochschule» in sich trägt. Sie soll nämlich ein Transmissionsgefäss aus Erkenntnissen
und aus Forschung (also der Entwicklung an unserer Hochschule, Fachhochschule, Universität und Pädagogische Hochschule) sein, welche dies auf einem hohen, aber für Laien
geeigneten Niveau zur Bevölkerung bringt und so die Leute an Entwicklungen teilhaben
lässt.
Wo sehen Sie die Volkshochschule Bern in 5 Jahren?
Andreas Zysset: Die Volkshochschule Bern sehe ich in fünf Jahren als gesunde Institution, welche basierend auf dem, was ich bereits gesagt habe und auf ihren Wurzeln ein breites
und sehr spannendes Kursangebot in den verschiedenen Entwicklungsrichtungen bietet
und welche auch finanziell wieder auf guten Beinen steht.
Ich denke, man muss sehr genau wissen, aus welchem Grund man einen Kurs besucht.
Warum sollte man einen Kurs an der vhsbe buchen statt anderswo? Was hebt die vhsbe von anderen Bildungsinstitutionen ab?
Andreas Zysset: Ich denke, man muss sehr genau wissen, aus welchem Grund man einen Kurs besucht. Möchte man beispielsweise einen Kurs, welcher sehr berufsbezogen ist, also einer, bei dem man beruflich weiterkommen will, dann geht man eher an eine Berufsschule. Wenn man aber in einen Kurs will, welcher mir Zeit gibt mit anderen Menschen zusammen zu lernen – hier denke ich beispielsweise auch an die Sprachen, bei denen ja oft in Gruppen gelernt wird – dann ist die vhsbe ein absolut tolles Gefäss, auch für junge Leute. Also wenn man jetzt beispielsweise nach Südamerika reisen würde, dann ist ein Spanischkurs bei der vhsbe eine super Grundlage, weil man eben sehr viel Interaktionen hat und man gemeinsam mit anderen Menschen Wissen erarbeitet.
Die Volkshochschule bekam einen der diesjährigen Kulturpreise der Burgergemeinde – CHF 75 000 Franken. Was macht sie mit diesem Geld?
Andreas Zysset: Also hier möchte ich zuerst sagen: Ich bin ungeheuer dankbar und
auch stolz darauf, dass wir diesen Preis bekommen haben! Er kommt im absolut richtigen Moment. Wir konnten bisher aufgrund unserer finanziellen Lage nur noch so knapp überleben und nun haben wir, unter anderem dank diesem Preis, Geld, um uns weiter zu entwickeln. Dieses Geld werden wir schwerpunktmässig in neue Kursangebote, die wir am kreieren sind, stecken und wir werden mit einem kleinen Teil davon – maximal mit einem Drittel – an der Grabenpromenade unsere ganzen Kursräume attraktiver gestalten.
Meine ersten Erfahrungen mit der Volkshochschule Bern hatte ich durch einen nicht direkt erfolgreichen Spanischkurs als zirka 28-Jähriger
Was ist Ihr persönlicher Bezug zur vhsbe?
Andreas Zysset: Meine ersten Erfahrungen mit der vhsbe hatte ich durch einen nicht
direkt erfolgreichen Spanischkurs als zirka 28-Jähriger – vom Kurs ist mir aber geblieben,
dass ich damals eine Anzeige auf Spanisch machen konnte, als mir meine Kreditkarte beim Reisen gestohlen wurde, also sehr nützlich! Zudem ist mir die Kursleiterin von damals geblieben, da sie nämlich bis heute an der vhsbe ist. Leider war ich weniger fleissig als andere und so habe ich die vhsbe etwas aus den Augen verloren, blieb aber immer Mitglied, weil ich eben schon immer sehr von der Idee der Volkshochschulen überzeugt war und noch immer bin. Heute, wo wir mit einer neuen, tollen Geschäftsführerin und einem sympathischen Vorstand versuchen, die vhsbe wieder etwas neu auszurichten, bin ich als Präsident mittendrin.