Die aktuelle Situation zwingt die Volkshochschule Bern und andere Bildungsinstitutionen dazu, kreativ zu werden. Wir sehen dies als Chance und haben uns dafür entschieden, Neues auszuprobieren. «Distance Learning», also Fern-Unterricht ohne Präsenz im Klassenraum, wurde letzte Woche zum ersten Mal durchgeführt. Ob und wie das funktioniert hat, erläutert die Russischlehrerin Irene Fröhlicher im Interview mit Lukas Ramseyer.
Irene, du hast bereits in Woche 1 des Präsenzunterricht-Verbots reagiert und Deinen Kurs via Skype weitergeführt. So viel Engagement ist bewundernswert!
Irene Fröhlicher: Ja, die Situation verlangt von allen Flexibilität, und sie hat bei mir auch den Unternehmungsgeist geweckt. Mein erster Gedanke war, dass beim Sprachenlernen unbedingt eine Kontinuität erhalten werden muss. Auch wollte ich meine tolle Lerngruppe nicht im Stich lassen. Als die Volkshochschule-Leitung in einem Schreiben auch noch «Unterrichten per Skype» erwähnt hat – was ich auch schon an einer anderen Schule anwende –, war es für mich wie der Startschuss, um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mein Angebot für individuelle Zeitfenster zu unterbreiten. Erst später ist mir noch eingefallen, dass man mit dem Programm ja auch eine Konferenz schalten könnte. Da die Lerngruppe positiv antwortete, haben wir es einfach mal ausprobiert: Es war auch für mich das allererste Mal, und ich hätte nie gedacht, dass es so einfach wäre, so eine «Besprechung» hinzukriegen.
Was waren Deine Erfahrungen in der Kursgruppe?
Im ersten Moment staunten wir schon ein wenig, wie wir uns da alle zusammen auf einem Bildschirm sehen konnten. Es klappte nicht bei allen von Anfang an, jemand hatte am Laptop Probleme mit Mikrofon und Kamera, jemand musste auf das Handy wechseln, aber schlussendlich schafften es alle 6 Teilnehmenden und wir konnten zusammen mit Texten und Übungen im Lehrbuch weiterfahren. Zwischendurch gab es ein paar akustische Überraschungen wie tierisches Geraschel oder die mehrsprachige Ansage der Zugankunft in Bern, da jemand noch unterwegs war… und das Mikrofon eingeschaltet hatte.
Jedenfalls haben wir dieses erste Experiment gut überstanden und haben dabei auch viel gelacht.
Wie gestaltest Du den Unterricht, wie wirst Du den Kursteilnehmenden gerecht?
Da die Kursteilnehmenden arbeitstätig sind und neben der Kurszeit nur beschränkt Zeit haben, um schriftliche Arbeitsanleitungen zu befolgen oder Übungen zu schreiben, geschieht das Lernen vorwiegend mündlich während der gemeinsamen (Skype-)Sitzung. Daneben gibt es für den Wortschatzerwerb Quizlets sowie Satzkärtchen zum Ausdrucken und Ausschneiden; weiter stelle ich Theorieblätter, Audio- und Zusatzmaterial zur Landeskunde in einer Dropbox zur Verfügung. Im Umgang mit Skype muss ich noch lernen, den Chat anstelle der Tafel einzusetzen und «Bildschirm teilen» zu nutzen… Das möchte ich in Woche 2 anwenden. Dann werde ich sicher auch von den Rückmeldungen der Lerngruppe profitieren und weitere Tricks herausfinden, Schritt um Schritt.
Siehst Du allgemein eine Chance im Fernunterricht oder siehst du das als vorübergehende Notmassnahme?
Distance Learning kann den lebendigen Unterricht im präsenziellen Beisammensein einer Lerngruppe sicher nicht ersetzen, da gehen doch einige Dimensionen verloren. Aber in einer Situation wie der jetzigen erlaubt uns Lehrpersonen die Option des Fernunterrichts immerhin noch weiter zu arbeiten, während andere Berufsleute bessere Zeiten abwarten müssen. Längerfristig kann ich mir vorstellen, dass wir wiederkehrende Module und längere Theoriesequenzen vermehrt abspeichern, um mehr Zeit für individuelle Beratung, Lerncoaching und mündliche Trainings freizumachen. Das wird vorerst dem Blended Learning einen Schub verleihen.
Wir danken Irene und allen anderen Kursleitenden ganz, ganz herzlich für ihre Flexibilität und die Bereitschaft, mitzuhelfen, unsere Kurse weiterführen zu können. Skype verwenden wir momentan als unkomplizierte und rasche Lösung, die es uns ermöglicht, den Fernunterricht praktisch nahtlos weiterzuführen. Wir arbeiten im Moment aber mit Hochdruck daran, eine ausgefeiltere Lösung für Quartal 2 (Start am 20. April 2020) anbieten zu können.