Die Volkshochschule Bern bietet Ihren Kursbesuchenden während dem Präsenzunterrichtsverbot die Möglichkeit, sich für Online-Kurse anzumelden. Diese finden auf MS-Teams statt und werden von den üblichen Kursleiter*innen geführt. Für Kursbesucher*innen, aber auch für die Kursleitenden, brachte dies zu Beginn eine grosse Umstellung mit sich – doch nach bald einem Jahr Ausnahmezustand haben sich die Online-Kurse im Alltag der Volkshochschule Bern eingependelt. Einige Kursleitende sehen darin nicht nur eine grosse Chance, sondern freuen sich auch über den Einsatz neuer Unterrichtsformen. So beispielsweise Detlef Staude, Kursleiter für Philosophie an der Volkshochschule Bern. Was er am Online-Unterricht schätzt, welche Hürden er und seine Kursteilnehmenden umgehen mussten und was er sich für die Zukunft wünscht, lesen Sie im Interview.

Lieber Herr Staude, seit beinahe einem Jahr halten Sie an der Volkshochschule Bern Ihre Kurse im digitalen Raum – wie fühlt sich das für Sie an?
Nun, am Anfang musste ich mich natürlich umstellen und neu orientieren. Aber ich habe auch vorher schon gedacht, dass es gut wäre, den Unterricht durch ein Online-Tool zu ergänzen. Daher war ich positiv eingestellt und habe bislang auch überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Was jedoch fehlt, ist der persönliche Kontakt vor und besonders nach dem Unterricht, zum Beispiel das gemeinsame Bier oder der gemeinsame Kaffee hinterher.

Waren Sie von Anfang an überzeugt vom Online-Unterricht oder brauchten Sie etwas Zeit, um sich damit abzufinden?
Natürlich musste ich mich am Anfang auch in das neue Werkzeug, also die Plattform «Teams», hineinfinden. Und genauso ging es allen, daher waren am Anfang auch technische Probleme ein Thema, an dem man nicht vorbeikam. Doch mittlerweile läuft alles weitgehend problemlos und wenn dann doch mal ein Problem auftaucht, sind die Lösungsschritte eingespielt. So lässt sich Teams im Unterricht gut verwenden.

Es gab welche, die von Anfang an mitgemacht haben, sozusagen nach dem Motto «Wer wagt, gewinnt».

Wie gingen Ihre Kursteilnehmenden mit dem Umstieg auf Online-Kurse um?
Das war unterschiedlich. Es gab welche, die von Anfang an mitgemacht haben, sozusagen nach dem Motto «Wer wagt, gewinnt». Andere zogen nach, auch nachdem einige Teilnehmer*innen ihnen erzählt hatten, dass es gar nicht so schlecht funktioniere. Und natürlich wurden Online-Tools wie Zoom, Teams, Skype, Webex und andere im Laufe der Pandemie auch immer normaler. Aber es gab auch Standhafte, die sozusagen allen Verlockungen widerstanden und betonten, sie kämen erst wieder, sobald es Präsenzunterricht gibt.

Wie bereiten Sie sich auf einen Online-Kurs vor, im Vergleich zum Präsenzunterricht?
Da gibt es wenig Unterschiede. Vielleicht spielen jetzt erläuternde Folien eine leicht grössere Rolle als zuvor. Aber mein Unterricht ist getragen von mehreren Ebenen in der Vermittlung von Wissen (Reader, Folien, Unterricht) und dem Austausch (Fragen, Bemerkungen, Dialog). Das läuft virtuell nicht viel anders als im Präsenzunterricht.

Wie sieht ein typischer Online-Unterricht bei Ihnen aus? 
Wie erwähnt unterscheidet er sich nicht stark vom normalen Unterricht. Wichtig ist wie bei jedem Unterricht, dass er interessant ist, dass man auch ein wenig von der eigenen Begeisterung am Thema vermitteln kann, dass er sachlich gut fundiert ist und dass es Raum hat für Fragen und Dialog. Und das klappt auch online ganz gut. Warum nicht einfach mal zu mir in eine Schnupperlektion, dann sehen Sie’s!

Einblick in einen Online-Kurs von Detlef Staude

Die Tools sind besser geworden und wir haben alle gelernt, mit ihnen umzugehen.

Welche technischen Probleme sind bei Ihnen zu Beginn aufgetreten? Konnten Sie diese schnell beheben? 
Ach, wissen Sie, nach einem Jahr weiss man nicht mehr genau, welche Probleme man damals genau hatte. Die Tools sind besser geworden und wir haben alle gelernt, mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen muss man auch die Unzulänglichkeiten akzeptieren, die jedes Werkzeug hat.

Haben Sie heute noch technische Probleme oder Unklarheiten?
Kaum!

Da können Menschen beieinander sein, die in der Realität weit voneinander entfernt sind.

Was glauben Sie, Herr Staude, sind die Chancen eines digitalen Unterrichtes? Was die Risiken?
Nun, die Chancen sind offensichtlich: Da können Menschen beieinander sein, die in der Realität weit voneinander entfernt sind. Das ist generell der Vorteil von Online-Kursen. Die Teilnehmenden müssen nicht vor Ort sein, sie können irgendwo in der Schweiz oder auch im Ausland sitzen. Aber dieser Vorteil ist natürlich auch ein Nachteil, wenn man sich mal im persönlichen Kontakt näher kennenlernen möchte.

Wie sieht das Feedback Ihrer Kursteilnehmer*innen aus? 
Im Laufe der Zeit habe ich doch etliche positive Feedbacks bekommen, auch von Teilnehmer*innen, die zu Beginn skeptisch waren. Zumindest als Ersatz – die Alternative wäre gewesen, keinen Kurs zu besuchen – war es für die meisten recht passabel.

Wie gehen Sie mit dem Verlust von Teilnehmer*innen aufgrund der Umstellung um?
Ich gehe davon aus, dass es kein Verlust ist, sondern nur ein vorübergehendes Fernbleiben während der Pandemie. Und da ich immer genügend Anmeldungen hatte, um meine Kurse durchzuführen, konnte ich all diese neuen Erfahrungen trotzdem sammeln. Aber natürlich hätte ich mich gefreut, wenn meine derzeitige Jahresreihe «Philosophie in der Schweiz» mehr Teilnehmer*innen besucht hätten. 

Ich glaube, dass Online-Kurse auch unter normalen Umständen sinnvoll sind, weil sie vielen Menschen Zugang zum Unterricht verschaffen, die nicht in der Nähe wohnen.

Warum glauben Sie, ist es wichtig, digitalen Unterricht anzubieten?
In der Pandemie ergibt sich der Sinn ja von selbst: Es ist die einzige oder zumindest sicherste Alternative. Aber ich glaube, dass Online-Kurse auch unter normalen Umständen sinnvoll sind, weil sie vielen Menschen Zugang zum Unterricht verschaffen, die nicht in der Nähe wohnen oder für die es schwer ist, immer an die Volkshochschule Bern zu reisen. Allerdings ist es eine Herausforderung, diese Menschen zu erreichen und ein dauerhaftes Online-Angebot schmackhaft und bekannt zu machen. Das ist etwas für eine längerfristige Planung, jedoch auf Dauer sicher zukunftsträchtig.

Die Mehrzahl lohnt sich!

Vor was haben oder hatten Ihre Kursbesucher*innen Angst? Wie nehmen Sie ihnen diese Angst?
Angst hat jetzt nur noch, wer so etwas noch nie gemacht hat. Da inzwischen jedoch fast alle einmal Skype oder Zoom benutzt haben, mindern sich die Hemmungen. Ich kann diese Ängste nur sehr partiell nehmen, denn wer nicht online dabei ist, den erreiche ich ja mit dem Kurs nicht und der macht keine – ob positive oder negative – Erfahrungen, sondern verbleibt in Vorstellungen und vielleicht Ängsten. Als Philosoph habe ich beispielsweise auch viele Bücher gekauft, über deren Kauf ich mich hinterher geärgert habe. Aber das bringt mich nicht dazu, keine Bücher mehr zu kaufen – denn zum Philosophieren braucht man ja diese Anregungen. Also muss ich offen sein für neue Erfahrungen. Immer auch auf die Gefahr, dass vielleicht auch frustrierende dabei sind. Denn die Mehrzahl lohnt sich!

Wo sehen Sie den Online-Unterricht in Zukunft?
Das ist schwer zu sagen. Sollte diese Pandemie mal tatsächlich weitgehend vorbei sein, wird eine Zeitlang das Geniessen der wiedergewonnenen Möglichkeiten im Vordergrund stehen. Dann ist Online-Unterricht womöglich weniger gefragt. Ich glaube aber, dass uns danach sonstige Herausforderungen einholen werden – zwar anderer Natur, aber mit langfristigen, drastischeren Folgen als der Pandemie, wie zum Beispiel das Klima. Und eine der vielen technischen Antworten auf sie wird dann bestimmt der Online-Unterricht sein, weil so die Mobilität und der damit verbundene Energieverbrauch und CO2-Ausstoss eingeschränkt wird. Das ist im Rahmen der Volkshochschule Bern, deren Teilnehmer*innen meist aus der Nähe kommen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zum Kursort reisen können, zwar weniger relevant. Trotzdem denke ich, dass gewisse Standardkurse online angeboten werden könnten, in Zukunft vielleicht sogar zum Download, neben dem analogen Angebot mit Präsenzkursen. 

Welche Botschaft in Bezug auf den Unterricht im digitalen Raum wollen Sie unseren Leser*innen zum Abschluss weitergeben?
Die Zivilisation hat mit ihren technischen Errungenschaften immer dazu beigetragen, Distanzen zu verkürzen. Die Römer haben Strassen erstellt, in der Neuzeit wurde ein umfangreiches Postboten- und Postkutschensystem aufgebaut, dann kamen die Lokomotiven mit sagenhaften 35 km/h und mittlerweile sind wir beinahe bei einer «Vernichtung» des Raumes angelangt, da es fast keine entfernungsbedingte Verzögerung in der Online-Kommunikation mehr gibt. In vergleichbarer Weise hat sich die Geschwindigkeit des Transports und der Mobilität gesteigert. Da ist es gut zu verstehen, wenn es eine gewisse Skepsis gegenüber dieser Dynamik und den Online-Medien gibt. Es entsteht ein Wunsch nach Nähe und Konkretheit. Ich glaube trotzdem, dass Online-Kurse in Zukunft eine Rolle spielen werden, ohne dass sich die Unmittelbarkeit deshalb jedoch nicht in der digitalen Welt verlieren wird.

Kursleiter Detlef Staude

Herzlichen Dank Detlef Staude für die Einblicke in eine Form des Online-Unterrichts an der Volkshochschule Bern!

Hier geht’s zu allen Online-Kursen der Volkshochschule Bern!

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